Es war einmal – es ist gar nicht so lange her – ein Land Namens Terrarium. In dem beherrschten Priester und Fürsten den Rest der Bevölkerung in trautem Einvernehmen.

Die Priester veranlassten alle den Mammon anzubeten. Sie verfügten über ein landesweites Kapitalglaubens-Monopol und veranstalteten attraktive Geld-Gewinnspiele. Fast alle spielten mit, allerdings wurden die wenigsten in die immer komplizierter werdenden Spielregeln eingeweiht. Manchmal kannten sich selbst die Priester nicht mehr aus. Dennoch flossen die meisten Einsätze in ihre Schatzkammern.

Die Fürsten wiederum hatten sich in ein ursprünglich faires System eingenistet, das Mehrheits-Demokratie hieß. Sie erwarben sich ihre Macht durch die Stimmen der kleinen Angestellten, Staatsbeamten, Pensionisten und Arbeitslosen, deren Vertretungen sie alle in den eigenen Apparat integrierten und die sie mit Mindestversorgung und geschickter Konsumunterhaltung bei Laune hielten. Ihr System finanzierte sich aus fleißigen aber bezüglich Macht eher naiven mittelständischen Unternehmen, die bis zu 60% Steuern ablieferten. Das Geld verwendeten sie dafür, das Land mit fürstlichen Abgeordnetenhäuser, Gerichten, Verwaltungsstuben und Medien in ihrem Sinne zu dominieren.

Gegenseitig taten sie sich nicht weh, im Gegenteil: Die Priester gaben den gewählten Fürsten ihren materiellen Segen und die Fürsten beschlossen Gesetze, welche die Monopol-Positionen der Kapitalglaubens-Priester absicherten.

Um einen aus ihrer Sicht unnötigen Widerstand des echte Werte schaffenden Mittelstandes schon im Keim zu ersticken, integrierten Priester und Fürsten zum Schein auch deren Vertreter in ihre Organisationen, hielten sie aber von echter Entscheidungsgewalt fern und speisten sie mit den allseits beliebten Butterbroten ab. Um ihr Machtsystem dauerhaft und auch in Zeiten von Hungernot, Seuchen und Katastrophen – welche natürlich nicht durch höhere Gewalt sondern durch die Gier der Systembeherrscher verursacht wurden – resistent zu machen und um Aufruhr oder Umsturz zu verhindern, entwickelten sie ihr raffiniertestes Macht-Instrument, eine Art Geheimdienst: Die Lobbyisten.

Diese Lobbyisten wurden als Systemsicherer in alle Organisationen und Einrichtungen des Landes, also auch in solche, die nicht direkt von den Priestern und Fürsten kontrolliert wurden entsendet. Ihre Ausbildung umfasste Disziplinen wie Informationsmanipulation, Beruhigungsagitation und Interessenszerstörung. Ihre Aufgabe war es, gegnerische Ambitionen abzuwürgen. Ihre Techniken und Methoden blieben weitgehend im Dunklen.

Lange Zeit duldeten die Mittelständler – sie hielten viel von Demokratie – die Benachteiligungen mit großem Langmut. Lange Zeit hofften sie auch, dass sie mit Ihren Interessenvertretungen und intensivierten Netzwerken (eine Kinderspiel-Variante des richtigen Lobbyings) ein Gegengewicht schaffen könnten, welches ihnen zumindest bescheidene Anteile an dem von Ihnen erarbeiteten Wohlstand bringen würde. Als sie aber sehen mussten, dass trotz ihrer loyalen, kreativen und nachhaltigen Arbeit das Land Terrarium immer mehr durch obrigkeitliche Entscheidungen verwüstet wurde und nicht nur den Ärmsten, sondern auch ihnen selbst die Verelendung drohte, wurde es den Mutigsten und Cleversten von ihnen zu viel und sie gingen in den Untergrund. Das war die Geburtsstunde der Lobby-Ritter.

Diese freiwilligen Vorkämpfer wurden insgeheim mit der ganzen Innovationskraft des Mittelstandes ausgebildet und ausgestattet. Sie bekamen dabei den Anti-Gier-Harnisch, der ihre Herzen für die Verführungen des Systems unempfindlich machte und den schopfartigen New-Spirit-Helm, der ihre Fähigkeit, sich zu orientieren, zu infiltrieren und zu agieren potenzierte, und sie noch dazu (wie mit einer Tarnkappe) unauffällig machte. So begannen sie, alle Schliche des System erhaltenden Lobbyings zu erfassen und neue Lobbying-Strategien für ihren Mittelstand und alle anderen zu entwickeln. Sie schraubten sich – vorerst systemkonform – in immer höhere Lobbyebenen des Systems hinein und schufen neue Lobbies, die immer unverblümter für Klimaschutz, Fortschritt und soziale Gerechtigkeit eintraten. Sie gaben dabei laufend ihr Wissen an Chefs und Mitarbeiter der mittelständischen Wirtschaft weiter, was die Bewegung immer mehr stärkte.

Trotz verzweifelter Abwehrversuche des Systems – sie setzten immer höhere Budgets und immer mehr Lobbyisten ein – konnte sich der Mittelstand mit Hilfe seiner Lobby-Ritter durchsetzen. Ihr letztlich siegreicher Schlachtruf für eine faire, aus ihrer Mitte her bestimmte Gesellschaft und Wirtschaft dringt den abgewählten und abgedankten Geld-Priestern und Polit-Fürsten mit ihren Kader-Lobbyisten noch heute durch Mark und Bein: Lobbying für alle!