Liebe Leser!
Hier ist er nun, der erste Artikel meines neuen Blogs. Viel Spaß beim Lesen und ich freue mich über ihre Kommentare:

Ältere Herren im Drogenrausch
Zwischen der Unsäglichkeit und der Unsterblichkeit der Aktionen älterer Unternehmer und Manager besteht oft nur ein kleiner Abstand.

Wenn er rote Werbekapperln trägt, eine Airline verkauft oder Aufsichtsrat bei dem Star unter den Automarken wird, Niki Lauda ist immer für eine Überraschung gut. Ob er Pferderennbahnen in den Sand setzt oder neue Parteien gründet, Frank Stronach kann einfach keine Ruhe geben. Wie er bullige Marken aufbaut und Stratosphärenspringer springen lässt, Didi Mateschitz will sich nicht die Flügel stutzen lassen. Ex-Agenturchef, Weingutbesitzer und Eishockey-Tycoon Hans Schmid, Shopping-Mall-Boss und Seitenblicke-Faktotum Richard Lugner, Investor und „Bildungsvolksbegehrer“ Hannes Androsch gehören zum Hyperaktiv-Club der 60+ und 70+ genau so wie Herbert Liaunig, Karl Spiehs und Helmut Pechlaner. Sie gelten als unermüdliche Arbeiter, als visionär und erfolgreich, als missionarisch bis geltungsbedürftig.

Sicher fallen Ihnen auch einige solcher Senior-Unternehmer und –Manager ein. In meinem Umfeld denke ich da an gereifte Vereinsvorsitzende, Verlagsleiter, Universitäts-Professoren, Firmenchefs und Investoren, die auch einfach nicht aufhören können. Und ich selbst? Im Kleinformat mache ich verrückte Prospekte über mein Angebot, schreibe Gastkommentare wie diesen, male Manager-Life-Bilder, denke an ein neues Buch und freue mich wie ein Kind über neue Aufträge. Was sind die wahren Triebfedern hinter all diesen späten Verhaltensoriginalitäten?

Ich würde einmal auf die stark verkürzten Lebensaussichten tippen, die so manche dazu mobilisieren, es „noch einmal (zum letzten Mal?) den Jungen zeigen zu wollen“. Es ist die Sehnsucht nach fortgesetzter Jugendlichkeit. Einfach so tun als wäre alles wie früher. Dynamik und Leistung versprühen und breite Anerkennung verspüren. Arbeit und Erfolg als Lebenselixier jetzt.

Es ist aber sicher auch die dem ersten Motiv verwandte transzendentale Sehnsucht nach Verewigung, Denkmäler von sich aufbauen und Spuren hinterlassen. Ein sentimental aufbäumendes „Wenn ich schon sterben muss, dann sollen die Leute wenigstens lange an mich denken“. Könnte der Anreiz auch eine gewisse Geldgier sein, ein Altersgeiz (Ebenezer Scrooge schau obe!), der noch recht viel an sich raffen möchte? Der mit glitzernden, süchtigen Augen an materiellen Dingen festhält aber auch nach Bewunderung heischt?

Drei mal habe ich nun das Wort Sucht verwendet und komme letztlich zu meiner Kern-Vermutung: Persönlicher Erfolg, monetäre Resultate und öffentliche Anerkennung sind für viele Unternehmer und Manager eine Droge geworden. Je mehr sie davon haben, umso mehr brauchen sie. Die „grauen Workaholics“ werden ohne ständig steigende Dosis unrund und grantig. Aber wenn sie in Fahrt sind bleibt die Zeit stehen und sie fühlen sich glücklich.

Und macht das auch die Leute, die Menschheit glücklich, wenn diese Herren (das Phänomen ist bisher überwiegend ein typisch maskulines) so richtig am Tisch hauen und alle in ihren Bann ziehen? Die Antwort ist klar: Wenn die spät berufenen Wirtschaftsakteure bei Ihren Projekten neben ihrer eigenen Profilierung auch das Wohl der Menschen, also Nachhaltigkeit für die Welt und Solidarität mit dem Einzelnen im Auge behalten, dann sehr viel. Dann wünsche ich mir noch sehr viel mehr solcher Führungskräfte und Opinion Leader, solcher Spender, Mentoren, Sammler und Räte.

Natürlich geht das auch bescheidener: Weniger hektisch und wohl dosiert aktiv sind da manche Unternehmer und Manager, die ihren Kindern oder Nachfolgern den Weg in die Unternehmensleitung rechtzeitig, liebevoll und ohne „Ich bin halt der Bessere“-Bevormundung geebnet haben. Sie haben sich bis auf eine paar geliebte Aufgaben und Zukunftsprojekte zurückgezogen und leisten nach außen wenig sichtbare Arbeit. Das ist drogenfreie Ausgewogenheit im Abgang. So geht das oft in mittelständischen Betrieben. Wir brauchen eben eine Lobby der Mitte – auch in uns.

Ihr Wolfgang Lusak

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